Memes als Kulturerscheinung
Das erste Meme war das schlichte Smiley 😉, das von Informatik-Professor Scott E. Fahlman am 19. September 1982 im Usenet der Carnegie Mellon University verschickt wurde.
Das Smiley ist doch als Emoticon bekannt und Fahlman gilt als deren Erfinder? Schon richtig, aber „auf höherer Ebene“ ist dieses Emoticon eben auch ein Stück Internetkultur, das durch Online-Übertragung zum Meme werden kann. Wenn es denn verbreitet wird und an Einfluss gewinnt – wir alle wissen, dass genau das mit dem Smiley in reichlicher Fülle geschah und geschieht.
1996 folgte das tanzende Ugachaka-Baby (von Webentwickler John Woodell; lass‘ es noch mal tanzen, yeah):
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1999 Hampton’s Hamster House („The Hampsterdance Song“)
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mit erstem messbarem Erfolg von 17 Millionen Besuchern pro Tag über drei Monate, wenig später Advice animals + Lolcats in rauen Mengen und vieles mehr … und dann schließlich auch seriösere Inhalte.
Memes sind flüchtig, spassig, ironisch – und oft so daneben, das Fremdschämen die naturgegebene Reaktion ist. Im Netz sind Memes allerdings nicht ganz so flüchtig; nicht so flüchtig wie der geniale Gedankenblitz des/der FreundIn, der wieder einmal nicht rechtzeitig irgendwo notiert werden konnte … weil das so ist, gibt es wenig Gründe, sich das Leben mit schlechten Memes zu vermiesen, denn auch hier gibt es einige Auswahl und könnte es sehr viel mehr geistreiche und durchs Design anregende Auswahl geben. Dazu später, werfen wir erst einen Blick auf Inhalt und Form der Memes, die zur Zeit das Netz dominieren:
Vom netten Bildchen zum einflussreichen Kommunikationswerkzeug
Heute werden per Meme nicht nur Kommentare und Witze, sondern auch Statements zu politischen Debatten, Beschwerden über öffentliche Bürokratie-Auswüchse, Unmut über das Versagen des ÖPV usw. verbreitet. Das Meme ist erwachsen geworden und hat seine Unschuld verloren. Es hat sich zu einem Kommunikationsmittel gemausert, das auch ernsthafte Inhalte transportiert und ernsthafte Reaktionen hervorruft (manchmal, wär‘ ja auch schade sonst).
Solche Memes beeinflussen Massen; sie werden von Firmen, die Massen beeinflussen wollen, gezielt zu diesem Zweck eingesetzt. Einige der erfolgreichsten Memes von 2018 zeigen das deutlich: Im Januar legte Google ein Selfie-Feature per Arts & Culture App auf. Es sollte den Nutzern ermöglichen, Fotos ihrer Gesichter in berühmten Gemälden zu suchen und so laut Google das allgemeine Interesse an Kunst und Kultur anheizen.
Dahinter steckte die Erprobung einer Gesichtserkennungstechnologie – bis Datenschützer Sturm liefen, hatten viele unbedarfte Kunstinteressierte ihre Physiognomie unwiderruflich einer Google-Datenbank übereignet. Im gesellschaftlichen Zusammenhang betrachtet, ging die Aktion allerdings nach hinten los: Auch die Datenschützer erhielten im Zusammenhang mit diesen Memes mehr Aufmerksamkeit und konnten so Millionen bisher unkritischer Nutzer auf die Hemmungslosigkeit der Datengier des Suchmaschinenbetreibers hinweisen.
Auch der neueste Hinweis in mancher Waschmittel-Werbung: „Waschmittel von Kindern fernhalten“ wurde durch eine Welle von Memes ausgelöst. Hier wollten Teenies Klickzahlen und damit den vermeintlichen persönlichen Internetruhm beeinflussen, ihr Hirn hatte aber offensichtlich gerade an ganz anderen Baustellen zu tun.
In der „Tide Pod Challenge“ wurde die Teenie-Gemeinschaft aufgefordert, Waschmittelkapseln zu verzehren und sich dabei zu filmen. Die hirnlosesten Teenies waren voll dabei, von Anfang des Jahres bis 15.02.2018 wurden 86 Jugendliche mit Mund-Verätzungen, Anfällen, Lungenödemen, Atemstillstand, Koma etc. in die US-amerikanischen Notaufnahmen eingeliefert (siehe Merkur: Waschmittel essen für Klicks – warum das mit dem Koma enden kann).
Dieses Meme hat sehr nachhaltig gewirkt: Millionen Verbraucher, die bisher einfach Waschmittel gekauft hatten, fragten sich nun, was zum Teufel in dem Zeug drin ist, das Jugendliche reihenweise in die Notaufnahme befördert, und stiegen auf ungiftige Bio-Waschmittel um.
Es gibt (wenige) bessere Beispiele für einflussreiche Kommunikation durch Memes, aber nach wie vor gilt:
Memes können begeistern
Menschen begeistern sich gerne und leicht für erfreuliche, anregende Alltags-Unterbrechungen, Geistesblitze, kleine Überraschungen. Das ist nicht nur gut so, sondern ein menschliches Grundbedürfnis – die neurobiologische Forschung hat längst entdeckt, dass Begeisterungsfähigkeit im Gehirn ein „günstiges Klima“ schafft.
Gemeint ist eine Geisteshaltung, die die Anlage bestimmter Hirnverbindungen begünstigt, und zwar all der Synapsen, die beim Lernen, Verstehen, Entwickeln gebildet werden … Begeisterungsfähigkeit entsteht durch Übung, also jeden Tag ein bisschen Begeisterung.
Da erfreuliche, anregende Phänomene heutzutage im Alltag vieler Menschen selten geworden sind (bzw. den Alltag aller Menschen zu selten bereichern, über zu viel Anregung und Freude hat noch keiner geklagt), nutzten kreative Köpfe von Anfang an auch das Internet, um ein bisschen Pep und Spaß in den Alltag zu bringen.
Durch schräge Videos, blöd-süsse Katzenbilder, tanzende Comicfiguren – die alle zum Meme werden, wenn sie von einem (un)passenden Spruch umrahmt Menschen amüsieren und daraufhin/deshalb wie wild durchs Netz verteilt werden.
Denn das Internet-Meme wurde 2009 durch Autor Patrick Davison im Essay „The Language of Internet Memes“ wie folgt definiert: “Ein Internet-Meme ist ein Stück Kultur, meist ein Witz, der durch Online-Übertragung an Einfluss gewinnt.” (siehe Academia: Makes a Meme Instead: A Concise History of Internet Memes, S. 3).
Memes bringen also schon ein ganzes Jahrzehnt Spass in den Alltag der Menschen. Einerseits ein Hinweis darauf, dass Memes wohl noch lange Teil der Internetkultur bleiben werden, anderseits hat das Meme in diesem langen Zeitraum zwar die oben geschilderte Entwicklung zum (auch) ernsthaften Kommunikationsmittel durchgemacht, aber grafisch nicht viel gelernt:
Aufruf zum Aufstand gegen Impact!
Memes, die netten, spöttischen, schrägen Internet-Witzchen, werden in ihrer klassischen Form mit einem Font unterlegt, der … einfach Müll ist:
Impact wurde 1965 als Bleisatz-Schrift entwickelt und war damit schon zur Zeit ihrer Entstehung veraltet. Jede einigermaßen fortschrittliche Druckerei bemühte sich seit Anfang der 1960er um Einsatz der neuen Fotosatzverfahren, und auch die ersten digitalen Satz-Methoden waren bereits im Entstehen.
Impact sollte Eindruck vermitteln (z. B. in den Überschriften der damals kräftig zulegenden Medien- und Werbewelt, in Fließtext hat die Schriftart nichts zu suchen) – und das tut der Font, auf uncharmante Weise, die mit elegantem Design nichts zu tun hat: Impact schreit den Leser an; was in Impact daherkommt, wurde offensichtlich in einem unguten Gemütszustand erdacht.
Heute hat der so hölzern aufmerksamkeitsheischende Font einen festen Spitzenplatz unter den unbeliebtesten Schriftarten der Welt. Wirklich gut ist dieses Typografie-Desaster nur für Memes geeignet, die schlechte Laune oder Frust verbreiten sollen oder ihren Verfasser auf den ersten Blick als grafische Null ausweisen sollen.
Diese Sammlung der „best memes 2018“ erwies sich insgesamt als ästhetisch ungewöhnlich grausam, bis Firefox beleidigt abstürzte: Thrillist: The 108 Best Memes of 2018. Muss nicht sein, Memes haben keinen Pakt mit dem Teufel geschlossen, der sie zu immerwährender Hässlichkeit verpflichtet.
Die besten Memes 2018 (weltweit)
Kunst (Promotion) mit Art-Memes
Memes sind ein Kulturphänomen, das in einzelnen Ausprägungen Millionen Menschen erreicht. Hier einige Beispiele, die über Jahre Millionen, insgesamt also Milliarden Menschen erreicht haben (siehe PC Welt: Die 30 witzigsten Internet-Memes)
Haha, lustig? Naja schon, aber man muss kein Berufs-Humorist sein, um zu vermuten, dass da mehr geht. Doch im deutschsprachigen Raum machen sich Memes insgesamt rar – was z. B. an instinktiver Impact-Ablehnung der Weltregion liegen könnte, die den Schriftsatz erfunden hat oder an der Schwierigkeit, in der eher opulenten deutschen Sprache geistreiche Aphorismen zu verfassen.
Es gibt einige wirklich witzige (mundartlich getönte) Beispiele aus der Schweiz, ein paar Lachmuskeln anregende Memes aus Österreich (Buzzfeed: 21 Memes, die nur witzig san, wennst a Österreicha bist) und sehr viele recht dumme bis peinliche Memes aus Deutschland (hier soll keinem Verfasser persönlich zu nahe getreten werden, einfach auf Facebook und Co. nach Memes aus Deutschland suchen)
Schade und nicht wirklich ein Spiegelbild der kreativen Menschen in Deutschland (im DACH-Raum) – denn Memes müssen nicht auf den brüllenden Font „Impact“ beschränkt bleiben und bieten kreativem Menschen viele Möglichkeiten: Aufmerksamkeit – wenn der Sinn des Memes erst auf den zweiten Blick zu verstehen ist, sogar recht nachhaltige Aufmerksamkeit. Mit einem pfiffigen (niemanden beleidigenden, unpolitischen und nicht religiösen) Inhalt hat der Verfasser die Lacher auf deiner Seite.
Memes können ernsthafte, kritische Inhalte entspannt kommunizieren, ohne gleich Abwehrhaltungen zu provozieren.
Und Memes können natürlich zu entzückenden Miniatur-Kunstwerke werden, wenn sich ein paar der vielen Menschen ans Werk machen, die sich mit Schriften und Schriftsatz, Fotos und Fotobearbeitung gut auskennen (gar nicht auszudenken, was dabei herauskommen könnte, wenn sich Künstler der Memes annähmen) …
Joachim Rodriguez y Romero
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.
www.kunstplaza.de/
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